In meinem Artikel „ω-3-Fettsäuren in der Ernährungsmedizin“, der 2018 in der Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin des Thieme Verlages erschienen ist, geht es um die Wirkungsweise von Omega-3-Fettsäuren in der Ernährungsmedizin.
Zusammenfassung
Die Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DPA) weisen eine hohe Relevanz in der Therapie von Erkrankungen des Nervensystems sowie entzündungsbedingten Krankheiten auf. Eine positive Wirkung konnte insbesondere bei Multipler Sklerose, Rheuma, Morbus Crohn, postpartaler Depression und Migräne im Rahmen diverser Studien nachgewiesen werden. Relevante Effekte auf die Gesundheit konnten ausschließlich bei den maritimen Omega-3-Fessäuren EPA und DHA nachgewiesen werden, nicht jedoch bei der pflanzlichen Alpha-Linolensäure ALA, welche vom Körper nur zu einem geringen Teil in EPA und DHA umgewandelt werden kann.
Omega-3-Fettsäuren sind zunehmend im Fokus des öffentlichen Interesses. Nicht nur, weil immer mehr Menschen Omega-3-basierte Produkte zur Vorbeugung verschiedenster Erkrankungen verwenden, sondern auch, weil das Thema Omega-3 in der Öffentlichkeit häufig kontrovers diskutiert wird.
Was sind überhaupt Omega-3-Fettsäuren?
Die in Fischen und Algen enthaltenen maritimen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DPA) bestehen aus Kohlenwasserstoffketten, an deren Omega-3-Ende an dritter Stelle die erste Doppelbindung platziert ist. Der Unterschied der in Leinöl enthaltenen pflanzlichen Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure (ALA) und der gleich langen Linolsäure (LA) besteht lediglich darin, dass diese an der dritten Stelle eine zusätzliche Doppelbindung aufweist. Dieser kleine, feine Unterschied in der chemischen Zusammensetzung der Fettsäuren bewirkt allerdings einen großen Unterschied in deren biologischer Wirkungsweise.
Die pflanzliche Omega-3-Fettsäure ALA kann im Körper in die maritimen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA umgewandelt werden – allerdings nur zu einem sehr geringen Anteil. Dieser beträgt bei der Umwandlung von ALA zu EPA schätzungsweise weniger als 10 % und bei ALA zu DHA sogar unter 1 %. In einer Studie konnte unter der Einnahme von 60 g Leinöl pro Tag – was ganzen 8 Esslöffeln entspricht – eine leichte Besserung des entzündungsrelevanten AA/EPA-Quotienten erreicht werden. Diese geringfügige Veränderung genügte jedoch leider nicht für die Erzielung einer relevanten entzündungshemmenden Wirkung.
Aus der pflanzlichen Fettsäure Linolsäure (LA), welche beispielsweise in Sonnenblumenöl, Sojaöl und Maiskeimöl enthalten ist, kann im Körper zudem die Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure (AA) gebildet werden. Diese ist maßgeblich für die Entstehung der meisten Entzündungsprozesse im Körper verantwortlich. Basierend auf den Ergebnissen von ca. 1.000 Fettsäure-Analysen im Rahmen meiner praktischen Erfahrung erfolgt dieser Umwandlungsprozess deutlich einfacher als die Umwandlung von ALA zu EPA und DHA. Insbesonders wenn nur verhältnismäßig wenige Omega-3-Fettsäuren durch die Nahrung zugeführt werden, die mit den Omega-6-Fettsäuren um die gleichen Enzyme konkurrieren. Aus diesem Grund weisen viele vegan lebende Menschen häufig eine besonders hohe Konzentration der tierischen Fettsäure AA in ihrem Körper auf, obwohl diese nachweislich nicht durch die Ernährung zugeführt wird. Infolgedessen haben Veganer häufig eine höhere Entzündungsneigung als Personen, die ab und zu Fleisch zu sich nehmen.
Der Hauptbestandteil unseres Nervensystems ist Fett. Der Anteil von EPA und AA hält sich dabei Waage, das Verhältnis liegt also in etwa bei 1 zu 1. Die modernde Ernährung umfasst in der Woche im Durchschnitt drei- bis fünfmal Fleisch und nur ein- bis zweimal Fisch, was zu einem AA/EPA-Verhältnis von 10 zu 1 führt.
Um einem Großteil der Erkrankungen, die auf einem Omega-3-Mangel basieren, wirksam vorzubeugen, bedarf es eines AA/EPA-Quotienten von etwa 3 bis 5. Bei bereits bestehenden Krankheiten ist hingegen ein Quotient von 2,5 empfehlenswert. Während die Menschen aus der Steinzeit sowie die Inuit aus Grönland oder Nordalaska bei der traditionell fischreichen Ernährung einen Quotienten unter 1 aufweisen, stelle ich bei den Kindern und Jugendlichen von heute nicht selten einen Quotienten von über 20 fest. Bei ADHS-Patienten oder Veganern lässt sich zumeist sogar ein Quotient von über 30 nachweisen.
Studienlage zu entzündungs- und nervenbedingten Erkrankungen
Eine gesundheitlich relevante Wirkung konnten bisher ausschließlich bei den maritimen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA nachgewiesen werden – nicht hingegen bei der pflanzlichen Omega-3-Fettsäure ALA.
Omega-3-Fettsäuren haben insbesondere bei Erkrankungen des Nervensystems sowie entzündungsbedingten Krankheiten eine positive Wirkung. Weitere relevante Einsatzgebiete wie Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen finden in diesem Artikel keine Berücksichtigung.
Omega-3 bei Rheuma
Aufgrund der hohen Zahl an Studienergebnissen über die Wirkung von Omega-3-Fettsäuren auf rheumatische Erkrankungen konnte inzwischen eine reichhaltige Meta-Analyse mit 42 Studien angefertigt werden. Hierbei wurde festgestellt, dass die Probandengruppe, welche in den Studien im Gegensatz zu den Placebo-Gruppen täglich mit einer bestimmten Menge Omega-3 versorgt wurden, über signifikant weniger Schmerzen klagten. Des Weiteren war auffällig, dass der Verbesserungseffekt deutlich ausgeprägter bei Studien mit einem höheren EPA- als DHA-Anteil ausfiel.
In einer weiteren Studie konnte zudem nachgewiesen werden, dass Omega-3-Fettsäuren zur Einsparung von Schmerzmitteln gegen Rheuma (NSAR) beitragen können. So konnten 39% der Probanden unter der Gabe von 10 g Fischöl mit 2,2 g EPA pro Tag nach drei Monaten ihre NSAR-Medikation reduzieren. In Anbetracht der mehr als 1.000 Todesfälle pro Jahr in Deutschland durch NSAR ist dies doch sehr bemerkenswert.
Omega-3 bei Multipler Sklerose (MS)
Die Ursache von Multipler Sklerose kann als eine Kombination aus einer Erkrankung des Nervensystems und einer Entzündung gesehen werden. So lies sich bereits 1950 feststellen, dass die im Inland von Norwegen lebende Bevölkerung 6-mal häufiger an Multipler Sklerose erkrankte, als die Bevölkerung an den Küsten. Da die Population anhand genetischer Aspekte als identisch anzusehen ist, kann dieser biologische Unterschied mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Omega-6-reiche und somit entzündungsfördernde Ernährung aus Fleisch und Milchprodukten im Landesinneren sowie die Omega-3-haltige und daher entzündungshemmende Kost mit hohen Fisch-Anteil an der Küste zurückgeführt werden.
Die positive Wirkung von Omega-3-Fettsäuren auf Multiple Sklerose konnte in einer australischen Studie mit 500 MS-Patienten untermauert werden. Nach einem Jahr Behandlung unter einer erhöhten Zufuhr von Omega-3 und Vitamin D in Kombination mit einer Bewegungstherapie und der Förderung einer „lebensbejahenden Einstellung“ lies sich feststellen, dass 10% der Studienteilnehmer ihre Lebensqualität sowie ihre mentale und körperliche Verfassung nach einem Jahr als deutlich besser einstuften. Natürlich können aufgrund des aktiven Handelns der Probanden Placebo-Effekte nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Da die positive Wirkung jedoch über einen Zeitraum von fünf Jahren nicht nur beibehalten, sondern sogar verstärkt werden konnte, ist eine reine Scheinwirkung höchst zweifelhaft. Es wird somit deutlich, dass bisher als unheilbar angesehene Erkrankungen wie MS nicht nur eingedämmt werden können, sondern sogar eine Verbesserung der Symptomatik erzielt werden kann.
Omega-3 bei Morbus Crohn
Im Rahmen einer Studie mit an Morbus Crohn erkrankten Kindern und Jugendlichen konnte die Zahl der Morbus-Crohn-Schübe unter einer täglichen Gabe von 600 mg EPA/DHA um ein Drittel verringert werden und somit auch die Zahl der stationären Hospitationen.
Omega-3 bei Migräne
Migräne ist ebenfalls als neurologische Erkrankung einzustufen, bei welcher nicht nur hormonelle, sondern auch entzündungsbedingte Parameter eine Rolle spielen. Bedauerlicherweise umfassen die herkömmlichen Therapiemaßnahmen lediglich eine Bekämpfung der Symptome, ohne die möglichen Ursachen der Erkrankung zu betrachten oder gar zu beeinflussen. Eine mögliche Behandlungsmaßnahme liegt auch hier wieder in der hinreichenden Zufuhr von entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren. So konnte in einer aktuellen Studie nachgewiesen werden, dass mit Hilfe von Omega-3-Fettsäuren selbst bei Patienten mit besonders ausgeprägter Migräne bei zwei Dritteln der Probanden die Anzahl der Anfälle um mehr als 80% reduziert werden konnte.
Omega-3 bei postpartaler Depression
Die postpartale Depression – auch als Wochenbettdepression bekannt – zählt zu einer der häufigsten und zugleich beeinträchtigsten Komplikationen einer Schwangerschaft. Eine gute Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren kann nicht nur bei der Prävention, sondern auch der Behandlung von Depressionen helfen. Dies beweisen mehrere interventionelle sowie epidemiologische Studien. In einer Beobachtungsstudie wurde beispielsweise bei Schwangeren in der 28. Schwangerschaftswoche das Verhältnis der maritimen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA zu allen anderen Fettsäuren im Körper bestimmt. Dieser Wert wird auch als Omega-3-Index bezeichnet. Dieser wurde nach der Geburt mit dem Depressionsscore verglichen, welcher zur Ermittlung der Schwere einer depressiven Störung Einsatz findet. Hierbei stellte sich heraus, dass Frauen mit einem höheren Omega-3-Index (also mehr EPA und DHA als AA) einen niedrigeren Depressionsscore aufwiesen. Bei einem Omega-3-Index von mehr als 5% konnten bei keiner der untersuchten Frauen relevante Depressionswerte festgestellt werden.